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Farben Beeinflussen Unser Subjektives Wohlbefinden Und Zeitempfinden

Einsatz Der Ganzfeld-Methode Zur Veränderung von Bewusstseinszuständen

Übersetzt von Martin Gürster, editiert von Marvin Däumichen

Farbe hat einen Einfluss auf unser psychisches Wohlbefinden. Allerdings sind wir uns dieser Wirkung oft nicht bewusst. Die Arousal-Theorie der Farbe besagt, dass Farben mit längeren Wellenlängen, wie Rot und Gelb, eher als aktivierend wahrgenommen werden, während Farben mit kürzeren Wellenlängen, wie Grün und Blau, als entspannend empfunden werden. Wird man beispielsweise gebeten, eine entspannende Farbe zu wählen, entscheidet sich die Mehrheit der Menschen eher für Blau oder Grün als für Rot oder Pink, die als anregende, nicht entspannende Farben wahrgenommen werden. Es hat sich gezeigt, dass rote und gelbe Farben im Extremfall zu vergleichsweise mehr nervösem, zappeligem und aggressivem Verhalten bei Menschen und sogar bei Affen führen.1

Die Ganzfeld-Technik besteht darin, eine Person einem intensiven homogenen, unstrukturierten sensorischen Feld auszusetzen. Diese Art von sensorischem Feld kann durch konstante visuelle und auditive Stimulation induziert werden. Zum Beispiel sieht man durch eine speziell entwickelte Brille ein rotes Licht und hört über Kopfhörer “braunes” Rauschen, das sich wie ein Wasserfall anhört (siehe Foto).

Eine Person, die in die Ganzfeld-Methode eintaucht. Foto: Marc Wittmann.

Ganzfeld ist ein deutsches Wort, das von Gestaltpsychologen zu Beginn des 20. Jahrhunderts geprägt wurde und auch “ganzes Feld” bedeutet.2 Wir sehen nur rot und hören nur einen Wasserfall. Das Ganzfeld ruft visuelle und auditive Illusionen hervor und kann stabile – wenn auch bei den meisten Menschen vergleichsweise schwache – veränderte Bewusstseinszustände induzieren. Subjektive Berichte über Veränderungen, die sich auf das visuelle Erleben des Ganzfelds beziehen, beinhalten auftauchende illusorische Wahrnehmungen, abnehmende Helligkeit, das Auftauchen von Strukturen wie etwa sich bewegender Formen und traumartiger Bilder mit pseudo-halluzinatorischer Qualität. Veränderungen in der auditiven Modalität umfassen illusorische Wahrnehmungen wie Geräusche von Maschinen, Vogelgezwitscher oder Wasser und sogar komplexere Wahrnehmungen von Stimmen oder Musik.

Ein Merkmal veränderter Bewusstseinszustände während der Ganzfeld-Exposition ist ein verändertes Zeitempfinden. Im Allgemeinen können veränderte Bewusstseinszustände, unabhängig von ihrer Induktionsmethode, durch Veränderungen des Selbst- und Zeitgefühls charakterisiert werden. Subjektive Veränderungen des Zeitempfindens während veränderter Bewusstseinszustände wurden mit verschiedenen Induktionsmethoden untersucht, darunter: Hypnose, Meditation, Psychedelika, die Vertiefung in Musik oder das Spielen von Videospielen. In einer kürzlich durchgeführten Studie, die eine spezielle Ganzfeld-Technik verwendete, bei der die Teilnehmenden in einer eiförmigen, mit einer Farbe ausgeleuchteten Ganzkörper-Wahrnehmungsentzugskammer sitzen, erwies sich das berichtete Zeiterleben als ziemlich verzerrt.3

In der vor kurzem veröffentlichten Studie mit meinen Mitarbeitenden Sebastian Kübel und Henrike Fiedler4 wollten wir das Erleben von Zeit in veränderten Bewusstseinszuständen vergleichen, wie sie durch eine 25-minütige Exposition in einem multimodalen Ganzfeld mit verschiedenfarbigem Licht (rot, grün) und braunem Rauschen induziert werden. 67 Teilnehmer trugen eine Kasina DeepVision Ganzfeld-Brille.

Unsere Ergebnisse lassen sich in zwei Clustern zusammenfassen. Zum einen haben wir Daten zu den allgemeinen Effekten des Ganzfelds auf Bewusstseinszustände, zum anderen können wir unsere Ergebnisse im Hinblick auf farbspezifische Effekte interpretieren. Zu den allgemeinen Effekten ist zu sagen, dass die Teilnehmer die Dauer der 25-minütigen Ganzfeld-Exposition umso kürzer wahrnahmen und die Zeit subjektiv umso schneller verging, je stärker die Veränderung des Erlebens der Teilnehmenden war, welche mit einem Fragebogen erfasst wurde. Eine solche relative Unterschätzung der Dauer ist ein typisches Zeichen für veränderte Bewusstseinszustände, wie sie z.B. während tiefer Meditationszustände erlebt werden und allgemeiner, wenn sich Menschen in Flow-Zuständen befinden, während sie Aktivitäten ausführen, die sie als angenehm empfinden. In der grünen Testbedingung fühlten sich die Probanden nach der Ganzfeld-Exposition entspannter als vorher und diese größere Entspannung war mit einer Unterschätzung der Dauer und einem schnelleren subjektiven Zeitverlauf verbunden. In der roten Testbedingung hingegen fühlten sich die Teilnehmer nachher aufgewühlter als vorher. Wir fanden auch deutliche Effekte zwischen den beiden Farben. Die Teilnehmer berichteten, in der roten Testbedingung signifikant stärker aktiviert zu sein als in der grünen Testbedingung und diese stärkere Aktivierung führt zu dem Gefühl, dass die rote Sitzung signifikant länger gedauert hatte als die grüne Sitzung.

Geist-Körper-Interventionen wie Meditation oder Yoga sowie andere Entspannungstechniken haben Einzug in die klinischen und gesundheitlichen Wissenschaften gehalten, wie ich in einem kürzlich erschienenen Blog-Beitrag bei Psychology Today hervorgehoben habe.5 Man kann sagen, dass die Kerneigenschaften von veränderten Bewusstseinszuständen positiv auf psychiatrische Symptome wirken. Wie wir zeigen konnten, ist eine Ganzfeld-Sitzung in einem milden Maße dazu geeignet, veränderte Bewusstseinszustände zu induzieren. Insbesondere die grüne Stimulation in Kombination mit braunem Rauschen hat definitiv das Potential gezeigt, die Basis für eine neuartige Entspannungsinduktionstechnik zu werden, wenn sie weiter untersucht wird.

Unabhängig von diesen Anwendungen erweitern wir das Wissen darüber, wie Grün (Entspannung) und Rot (Aktivierung) unterschiedliche Wirkungen auf uns haben, sowohl emotional als auch in Bezug auf die Beurteilung der Zeit.

Note: Hinweis: Dieser Beitrag wurde erstmals am 6. Oktober 2020 bei Psychology Today veröffentlicht und kann hier nachgelesen werden. Alle Rechte liegen beim Autor. Wiederveröffentlicht mit der Erlaubnis des Autors.

Disclaimer: Dieser Blogpost wurde von Volontären übersetzt und editiert. Die Mitwirkenden repräsentieren nicht die MIND Foundation. Wenn Ihnen Fehler oder Unklarheiten auffallen, lassen Sie es uns bitte wissen – wir sind für jede Verbesserung dankbar ([email protected]). Wenn Sie unser Projekt zur Mehrsprachigkeit unterstützen wollen, kontaktieren Sie uns bitte um der MIND Blog Translation Group beizutreten!

Referenzen

  1. Humphrey N. Seeing red: A study in consciousness. Cambridge MA: The Belknap Press of Harvard University Press; 2006.

  2. Schmidt TT, Prein JC. The Ganzfeld experience — A stably inducible altered state of consciousness: Effects of different auditory homogenizations. PsyCh Journal. 2019;8:66-81. doi:10.1002/pchj.262

  3. Ben-Soussan TD, Mauro F, Lasaponara S, Glicksohn J, Marson F, Berkovich-Ohana A. Fully immersed: State absorption and electrophysiological effects of the OVO Whole-Body Perceptual Deprivation chamber. Progress in Brain Research. 2019;244:165-184. doi:10.1016/bs.pbr.2018.10.023

  4. Kübel S, Fiedler H, Wittmann M. Red visual stimulation in the Ganzfeld leads to a relative overestimation of duration compared to green. PsyCh Journal. 2020;9:5-19. doi:10.1002/PCHJ.395

  5. Wittmann M. Timeless healing at the doors of perception. 2018. Available at: www.psychologytoday.com/intl/blog/sense-time/201810/timeless-healing-the-doors-perception. Accessed May 3, 2021.


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