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Philosophy & Consciousness Psychedelic Therapy


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Psychedelika und das soziale Gehirn

Übersetzt von Frank Theil, editiert von Lucca Jaeckel

In der MIND Bioblog Serie stellen wir Persönlichkeiten vor, die die Entwicklung der psychedelischen Therapie, die Forschung und die Kultur rund um die psychedelische Erfahrung beeinflusst haben. Dr. Katrin Preller ist Nachwuchsgruppenleiterin an der Universität Zürich und Visiting Assistant Professor an der Yale University. Ihre Forschung dreht sich um die Neuropharmakologie sozialer Kognition. Das folgende Gespräch behandelt ihr Interesse daran, wie der Einsatz von Psychedelika und kognitiven Neurowissenschaften dazu beitragen kann, unser Verständnis von Selbst und Sozialität in Gesundheit, Psychopathologie und Psychotherapie zu verbessern. Darüber hinaus tauchen wir tief in die Frage ein, welche Mechanismen einer psychedelischen Therapie zugrunde liegen könnten.

Lucca Jaeckel: Sie haben Ihre Doktorarbeit über die neurobiologischen Wirkungen von psychoaktiven Drogen wie Kokain, MDMA und Heroin geschrieben. Was hat Sie daran interessiert, und was hat Sie danach zu Psychedelika hingezogen?

Katrin Preller, PhD: Als ich meine Promotion begann, war ich daran interessiert zu verstehen, wodurch das Gehirn bewirkt, dass wir fühlen was wir fühlen, und denken wie wir denken. Ich wollte die Neuropharmakologie hinter den Prozessen verstehen, die unser tägliches Leben beeinflussen. Und eine Möglichkeit, dies zu tun, bestand darin, die neurobiologischen Langzeitfolgen des regelmäßigen Konsums psychoaktiver Substanzen zu untersuchen. So kam ich dazu, mit Kokain-, MDMA- und HeroinkonsumentInnen zu arbeiten.

Meiner Meinung nach hat diese Arbeit wichtige Implikationen für die Therapie von Suchterkrankungen. Sie befriedigte jedoch nicht wirklich mein Interesse für die kausalen Einflüsse spezifischer Psychopharmaka auf unser Denken und unsere emotionale Verarbeitung. Es ist sehr selten, dass Menschen nur Kokain oder nur MDMA konsumieren. Das macht es wirklich schwer, in solchen Studien einen kausalen Zusammenhang herzustellen.

Während ich daran arbeitete, erfuhr ich dann erstmals von der Forschung zu Psychedelika. So begann ich mich dafür zu interessieren und dachte, dass dies mir helfen könnte, einige meiner Fragen zu beantworten. Mit Psychedelika können wir das System auf kausale Weise manipulieren. Und da die Wirkungen dieser Substanzen auf das Serotoninsystem relativ spezifisch sind, können wir kausale Schlüsse darüber ziehen, wie sich Veränderungen auf der Rezeptorebene auf das Denken und die emotionale Verarbeitung auswirken. Das hat mich also in die psychedelische Forschung gezogen, und ist der Grund, warum ich dann einen Post-Doc zusammen mit Franz Vollenweider begann.

Das ist natürlich schon ein paar Jahre her. Mein Interesse an psychedelischen Substanzen und ihren Wirkungen hat sich seither auch auf ihr therapeutisches Potenzial ausgeweitet, aber ich bin immer noch sehr an diesen grundlegenden neuropharmakologischen Fragen interessiert.

LJ: In Anbetracht der Frage nach dem “kausalen Mechanismus” sind natürlich die Verabreichung einer psychedelischen Droge und die unmittelbaren pharmakologischen Folgen entscheidende kausale Faktoren für ihre neurokognitiven, sozialen, verhaltensbezogenen und emotionalen Auswirkungen. Aber es gibt auch diesen ‚elephant in the room‘ dass es neben den direkten pharmakologischen Wirkungen auch kontextuelle und Placebo-Effekte gibt, wie zum Beispiel durch Erwartungshaltungen und das soziale Umfeld, die die Ergebnisse stark beeinflussen könnten. Was denken Sie darüber?

KP: Das ist natürlich sehr wichtig, vor allem für die therapeutische Arbeit. Aber ich denke, dass es für die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung weniger wichtig ist, weil wir dort hauptsächlich objektive Tests verwenden — soweit wir das können, natürlich.

Wenn wir zum Beispiel Verfahren nutzen mit denen wir Bilder von Gehirnaktivität aufnehmen, ist es unwahrscheinlich, dass Menschen ihre Gehirnaktivität oder die Konnektivität in ihrem Gehirn bewusst verändern können. Für diese grundlegenden neuropharmakologischen Fragen ist dies also weniger ein Problem.
Es wird jedoch äußerst relevant, wenn wir über therapeutische Wirkungen sprechen, bei denen wir nicht nur die akuten Effekte der Substanz betrachten, sondern uns auch dafür interessieren, was Tage, Wochen oder Monate nach der Erfahrung passiert. Und das könnte natürlich sehr stark von der Erwartung geprägt sein, weil wir dann die Symptome und hoffentlich die Linderung der Symptome betrachten. Und ich denke, das ist nach wie vor eine quasi ungelöste Frage, denn es ist furchtbar schwer, diese Studien zu verblinden. Das heißt, es ist auch sehr schwer, Erwartungseffekte und auch Enttäuschungseffekte zu vermeiden, wenn die Leute merken, dass sie nicht den Wirkstoff bekommen haben.

Ich denke, dass ist ein Problem, das wir das in Zukunft wirklich angehen müssen, insbesondere indem wir bessere Kontrollbedingungen einführen. Das ist natürlich schwierig. Selbst wenn wir eine andere psychoaktive Substanz als Kontrollbedingung verabreichen, bleibt es schwierig, Menschen zu verblinden. Ich glaube nicht, dass wir im Moment eine wirklich gute Lösung für dieses Problem haben.

LJ: Man könnte argumentieren, dass Sie bereits kontextabhängige Effekte untersuchen, da Sie die sozial-kognitiven Effekte von Psychedelika untersuchen. Indem Sie also untersuchen, wie der soziale Kontext unterschiedlich verarbeitet wird, können Sie uns einen Einblick geben, wie sich Kontext auf die Ergebnisse auswirkt. Wie genau untersuchen Sie die sozial- kognitiven Wirkungen von Psychedelika? Und wie trägt dies Ihrer Meinung nach zu unserem Verständnis der klinischen Effekte von Psychedelika bei?

KP: Der erste Grund, warum ich die soziale Kognition mit Psychedelika untersuche, ist, dass wir soziale Kognition und soziale Interaktion allgemein nicht wirklich gut verstehen, vor allem nicht deren pharmakologische Grundlage. Andererseits wissen wir, dass im Grunde alle psychiatrischen Störungen durch eine Abkopplung vom sozialen Umfeld gekennzeichnet sind. Das ist mit derzeit verfügbaren Methoden sehr schwer zu behandeln. Ich denke, dass die Art und Weise, wie Psychedelika die Wahrnehmung unserer sozialen Umwelt beeinflussen, ein Schlüsselmechanismus ist, wenn es um therapeutische Arbeit geht.

Bisher haben wir hauptsächlich untersucht, wie Psychedelika die soziale Verarbeitung im akuten Zustand beeinflussen. Das haben wir hauptsächlich mit computergestützten Tests gemacht, bei denen wir versucht haben, soziale Interaktionen zu simulieren, während die Menschen in einem fMRT-Scanner liegen. Auf diese Weise versuchen wir objektiv zu messen, wie das Gehirn unter dem akuten Einfluss einer Substanz auf das soziale Umfeld reagiert.

In den Therapiestudien, die wir gerade durchführen, schauen wir nicht so sehr auf solche akuten Effekte. Stattdessen wollen wir herausfinden, ob es bei PatientInnen langfristige Auswirkungen auf die sozialen Verarbeitung gibt und ob diese potenziellen Veränderungen in der sozialen Verarbeitung auch mit einer Verbesserung der Symptome bei unseren PatientInnen zusammenhängen. Dazu führen wir einige dieser Tests durch, bei denen wir bereits akute Psychedelika-bedingte Veränderungen festgestellt haben, und wir führen sie einige Wochen nach der Verabreichung durch. Dann testen wir, ob es einen Zusammenhang mit den Behandlungseffekten, also der Symptomverbesserung, gibt.

Nun, das sind laborbasierte Tests, richtig? Ich denke, dass es in Zukunft wichtig wäre, objektive Daten über soziale Interaktion und soziale Fähigkeiten in der echten Welt zu erheben, um zu prüfen, ob dieser Effekt, von dem wir glauben, dass er zur Verbesserung der Symptome beitragen könnte, tatsächlich auch im Alltag unserer PatientInnen auftritt.

Was uns in unseren Therapiestudien auch interessiert, ist die Interaktion mit den TherapeutInnen – natürlich ist auch das eine soziale Interaktion, und zwar eine sehr wichtige, für die Behandlung. Wir untersuchen, wie sich die Qualität der Interaktion zwischen TherapeutIn und PatientIn nach der Verabreichung einer Psychedelischen Substanz verändert oder nicht. Die Daten werden im Moment ausgewertet; hoffentlich können wir in den nächsten Monaten einige Ergebnisse präsentieren.

LJ: Wie diese Wechselwirkungen in der realen Welt scheinen viele der Dinge, die von Psychedelika beeinflusst werden, auf einer hohen Komplexitäts- oder Abstraktionsebene zu liegen. Dinge wie das Bewusstsein, das Selbst und die Überzeugungen, die Menschen von der Realität der Welt haben, werden von psychedelischen Drogen beeinflusst. Das macht die Erforschung dieser Substanzen schwierig, aber auch interessant. Ein ähnlich komplexes Thema, das für Ihre Arbeit relevant ist, ist die Frage, wie Selbst und Sozialität zusammenhängen: Wie eng ist die Verbindung zwischen den beiden und was bedeutet es, dass der Mensch ein soziales Gehirn hat?

KP: Ich denke, aus den Studien, die uns vorliegen, geht klar hervor, dass Selbstverarbeitung und soziale Verarbeitung miteinander verbunden sind. Dennoch ist es ziemlich schwierig, die genaue Art dieser Verbindung zu beschreiben, weil wir nur begrenzt in der Lage sind, die soziale Interaktion zu beeinflussen, und weil wir nur begrenzt in der Lage sind, die Selbstverarbeitung zu beeinflussen. Psychedelische Drogen bieten uns einen einzigartigen Einblick in diesen Prozess.

Ich denke, es ist ganz klar, dass es bei psychiatrischen PatientInnen diese Trennung zwischen dem Selbst und dem sozialen Umfeld gibt. Die Pandemie der letzten zwei Jahre hat uns diesen Zusammenhang sehr deutlich vor Augen geführt — den Zusammenhang davon, wie gut und wie viel wir mit anderen interagieren können, und unserer psychischen Gesundheit.

Ich denke, dass Psychedelika uns die Möglichkeit geben, diese Beziehung auf kausale Weise zu untersuchen. Und hoffentlich können sie uns auch dabei helfen, die Selbstverarbeitung und die soziale Kognition zu verbessern, denn diese beiden Prozesse sind wirklich maßgeblich für die psychischen Gesundheit.

LJ: Würden Sie sagen, dass die Psychiatrie von psychedelischen Substanzen etwas über die Behandlung oder das Verständnis psychischer Erkrankungen lernen kann? Vielleicht durch das was sie uns über das Selbst und die soziale Verarbeitung offenbaren.

KP: Meiner Meinung nach, kann die Psychiatrie eine Menge von Psychedelika lernen, nicht nur in Bezug auf die soziale Verarbeitung. Aber wir haben hier eine große Wissenslücke, und zwar in Bezug auf den genauen Wirkmechanismus: Warum helfen diese Substanzen den Menschen? Soziale und Selbstverarbeitung sind nur zwei Hypothesen unter vielen anderen. Was wir jetzt zu sehen beginnen, ist, dass das, was Psychedelika bei PatientInnen bewirken, offenbar transdiagnostisch wirkt. Wahrscheinlich gibt es bestimmte Effekte, die für eine Erkrankung wichtiger sind als für andere. Aber wir sehen etwas, das für ein breites Spektrum psychiatrischer Erkrankungen nützlich zu sein scheint. Ich denke, herauszufinden, wie genau Psychedelika den PatientInnen helfen, kann einen enormen Einfluss auf die Psychiatrie haben.

Außerdem denke ich, dass Psychedelika dadurch einen großen Beitrag zur Psychiatrie leisten können, die Idee der pharmakologisch unterstützten Psychotherapie zu verbreiten. Das ist ein Modell, das bisher vielleicht noch nicht genügend Aufmerksamkeit erhalten hat. Es hat den Anschein, als ginge es in der Psychiatrie derzeit häufig nur um die Verabreichung eines Medikaments, mit dem es den PatientInnen dann besser geht. Wir wissen aber aus vielen Studien, nicht nur mit Psychedelika, sondern auch mit herkömmlichen Antidepressiva, dass es eine Synergie zwischen Therapie und pharmakologischer Behandlung gibt. Die Substanz verstärkt also den therapeutischen Prozess. Und ich denke, dass Psychedelika dies sehr eindrücklich in den Fokus rücken. Sie zeigen, dass wir die Pharmakotherapie im Zusammenhang mit der Psychotherapie betrachten müssen.

LJ: Wenn wir psychoaktive Substanzen im Allgemeinen betrachten, auch illegale Drogen oder illegalen Freizeitkonsum, glauben Sie, dass es etwas Besonderes an Psychedelika gibt oder, dass wir aus diesem Substanz-unterstützten Psychotherapieschema etwas darüber lernen können, wie wir mit Psychoaktiven Substanzen im Allgemeinen umgehen?

KP: Ich bin keine Politikerin oder Soziologin, die wirklich über Fragen der Legalisierung und solche Dinge sprechen könnte. Was wir jedoch sehen, ist, dass zunächst einmal alle psychoaktiven Substanzen in gewisser Weise einen veränderten Zustand hervorrufen. Die Quantität und Qualität dieses veränderten Zustands unterscheiden sich natürlich, wie auch das Risikopotenzial der verschiedenen Substanzen. Einige Substanzen machen beispielsweise eher süchtig, andere weniger. Und einige Substanzen, wie die Psychedelika, lösen einen veränderten Bewusstseinszustand aus, der, wie wir wissen, in einem professionellen Umfeld, unter der Anleitung von Fachleuten, leichter zu bewältigen ist.

Ich denke, es gibt Gemeinsamkeiten, es gibt Unterschiede. Natürlich gibt es Unterschiede in den Wirkmechanismen. Und diese haben wiederum Auswirkungen darauf, wie sie eingesetzt werden sollten.

Vor allem, wenn wir wieder an medizinische Zwecke denken, ist es sehr wichtig, die Wirkmechanismen zu verstehen. Dafür könnte es sehr interessant sein, pharmakologische ‚Kreuzstudien‘ durchzuführen. Das heißt, verschiedene pharmakologische Wirkstoffe denselben Personen zu verabreichen. Es ist immer noch schwierig zu vergleichen, ob Ketamin tatsächlich das eine und Psilocybin etwas anderes bewirkt, weil uns diese Studien noch fehlen. Ich denke, dass wir bei den psychoaktiven Substanzen, die derzeit als Medikamente entwickelt oder getestet werden, wirklich solche pharmakologischen Kreuzstudien durchführen sollten.

LJ: Vielleicht war das schon eine Ihrer Antworten auf meine nächste Frage, aber wenn Sie sich den Bereich der psychedelischen Forschung im Moment ansehen, was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, auf das man sich jetzt konzentrieren sollte? Was sind die Fragen, die bisher noch nicht behandelt wurden?

KP: Ich glaube wirklich, dass wir die Wirkungsmechanismen verstehen müssen. Warum geht es den Menschen besser? Denn ich denke, dies wird sich enorm auf unser Verständnis davon auswirken, wie die Therapie durchgeführt werden sollte. Im Moment wird die klinische Wirksamkeit psychedelischer Therapien für viele verschiedene Erkrankungen in kleinen Studien getestet. Das ist wichtig; das stelle ich nicht in Frage. Aber ich denke, dass es mindestens genauso wichtig ist, zu verstehen, warum die Substanzen den Menschen helfen, denn ich denke, dass dies einen Einfluss darauf haben wird, wie man die Therapie durchführt.

Wenn Sie, sagen wir, eine neuroplastische Wirkung ausnutzen wollen, können Sie diese zum Beispiel mit bestimmten Arten von Trainings verstärken. Wenn Sie aber davon ausgehen, dass diese Substanzen eine spirituelle oder mystische Wirkung haben, hat das andere Auswirkungen auf die Art und Weise, wie Sie die Therapie durchführen, wie Sie die Substanz einsetzen und dergleichen. Solange wir nicht wirklich verstehen, warum die Substanzen helfen, ist es wirklich schwierig, die Therapie zu optimieren.

Da es immer mehr Studien gibt und diese immer umfangreicher werden, werden wir auch sehen, dass diese Substanzen nicht jedem in dem derzeitigen therapeutischen Modell helfen werden. Es wird PatientInnen geben, denen es nicht helfen wird. Indem wir die Wirkmechanismen verstehen und den therapeutischen Ansatz optimieren, werden wir vielleicht irgendwann in der Lage sein, die Behandlung auf die jeweilige Person zuzuschneiden. Ich glaube, dass dies für PatientInnen sehr hilfreich sein wird und es dem Feld ermöglichen wird, das Beste aus den Wirkungen der Substanzen rauszuholen.

Disclaimer: Dieser Blogpost wurde von Volontären übersetzt und editiert. Die Mitwirkenden repräsentieren nicht die MIND Foundation. Wenn Ihnen Fehler oder Unklarheiten auffallen, lassen Sie es uns bitte wissen – wir sind für jede Verbesserung dankbar (mail to: [email protected]). Wenn Sie unser Projekt zur Mehrsprachigkeit unterstützen wollen, kontaktieren Sie uns bitte um der MIND Blog Translation Group beizutreten!


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