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Kick-off für ein Spiel mit Verlängerung: Das Wissenschaftliche Abschlusssymposium EPIsoDE mit einem Ausblick auf Psychedelika in der medizinischen Versorgung

Am Freitag, den 6., und Samstag, den 7. September 2024, fand am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim das erste wissenschaftliche Doppel-Symposium zum Abschluss der EPIsoDE-Studie statt. Es war der Kick-off für die mehrjährige Publikationsstrecke zu einem der bemerkenswertesten Datensätze im Bereich der medizinischen Psychedelika-Forschung.

Die beiden Symposien fanden in den schönen Räumen der „Alten Brauerei“ Mannheim statt. Sie markierten den ersten Höhepunkt eines Forschungsprogramms unter der Leitung von Prof. Dr. med. Gerhard Gründer, Psychiater und Leiter der Abteilung für Molekulares Neuroimaging am ZI sowie Chefarzt an der OVID Clinic Berlin. EPIsoDE untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Psilocybin bei therapieresistenter Depression [1]. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Studie stellte sich den vieldiskutierten Herausforderungen der Psychedelika-Forschung mit wissenschaftlicher Strenge und klinischem Erfindungsreichtum. Dies geschah beispielsweise durch zwei Kontrollbedingungen (einem aktiven Placebo mit Nikotinamid und einer niedrigen 5 mg-Dosis Psilocybin versus einer hohen Dosis von 25 mg Psilocybin). Während alle Patient:innen mindestens eine sogenannte „Dosing-Sitzung“ durchliefen, in deren Rahmen sie einmal die hohe Dosis erhielten, wurde ein Teil der Stichprobe zweimal mit der hohen Dosis behandelt.  Allen Patient:innen wurde das Psychedelikum im Rahmen eines minimalen psychotherapeutischen Programms verabreicht [2, 3]. Ziel der Studie mit 144 Patientinnen und Patienten war es, innovative Behandlungsansätze für Menschen zu entwickeln, die auf klassische Antidepressiva nicht ansprechen. Die Ergebnisse, die auf dem Symposium präsentiert wurden, zeigen das Potenzial von Psilocybin als Teil eines umfassenden psychotherapeutischen Ansatzes. 

Therapieresistente Depression betrifft Millionen von Menschen weltweit, für die bisherige therapeutische Ansätze oft nicht ausreichen. In der EPIsoDE-Studie wurde untersucht, ob Psilocybin als unterstützende Behandlung wirksam sein könnte. Die Studienergebnisse deuten auf eine signifikante Linderung der Symptome hin, begleitet von einer verbesserten emotionalen Resilienz und Lebensqualität der Betroffenen. Auf dem Symposium berichteten führende Forscher:innen über die klinischen Resultate und diskutierten, wie diese Forschung die Implementierung psychedelischer Therapien in die Praxis prägen könnte. Dies ist von zentraler Bedeutung, um langfristige, nachhaltige therapeutische Effekte zu sichern. 

Der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit (ZI) und derzeitige Präsident der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Prof. Dr. med. Andreas Meyer-Lindenberg, eröffnete das „Wissenschaftliches Abschlusssymposium EPIsoDE - Wirksamkeit und Sicherheit von Psilocybin bei therapieresistenter Depression“ am 6. September 2024. Gerd Gründer, Lea Mertens und Michael Koslowski berichteten dann die ersten Daten zu Wirksamkeit und Sicherheit. Nach der Mittagspause hatten viele der Menschen, die von der Studie profitiert haben, nicht nur das Wort, sondern brachten eigene Positionen, Kritik und konstruktive Vorschläge zur Entwicklung der neuen Therapieform ein. Gefolgt wurde dies von einer Reihe naturwissenschaftlicher und psychologischer Untersuchungen zu Themen wie dem des Psilocinplasmaspiegels und dessen Zusammenhang mit den akuten psychedelischen Effekten (Moritz Spangemacher), den neuropsychologischen Effekten der Therapie mit Psilocybin (Laura Kärnter) oder ersten Befunden der begleitenden MRT-Untersuchungen (Christian Schmitz).

Wir werden auch in diesem Blog über die konkreten Ergebnisse der Haupt- und Substudien berichten, sobald diese publiziert sind. Die Embargopolitik der wissenschaftlichen Journals mahnt hier zu etwas Geduld. 

Am 7. September 2024 richtete die MIND Foundation gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Psychedelische Forschung und Therapie (DGPFT) ein  Folge-Symposium zur Implementierung von Psychedelika mit dem Titel „Die Zukunft von Psychedelika in Psychiatrie und Psychotherapie“ – Implementation, Versorgung, Weiterbildung“ aus. Der zweite Tag konzentrierte sich auf Schlussfolgerungen: also auf die Integration neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die klinische Praxis. Dabei standen ethische Richtlinien, Standardisierungsprozesse und Schulungsprogramme im Fokus, um die psychotherapeutische Begleitung während und nach der Behandlung optimal zu gestalten (präsentiert von Uwe Herwig, Henrik Jungaberle, Andrea Jungaberle und Max Wolff). Die Implementierung solcher Verfahren soll sicherstellen, dass Patient:innen von erfahrenen Therapeutinnen und in einem sicheren Umfeld betreut werden. Hier wurde deutlich, dass die therapeutische Nutzung von Psilocybin in einem strukturierten Rahmen erfolgen muss, um nicht nur akute Symptome zu lindern, sondern auch langfristige Integration und Verarbeitung zu gewährleisten. Dazu wurde auch das neue Paradigma einer „pharmakologisch-augmentierten Salutogenese“ diskutiert. Auch viele der anwesenden Ex-Patient:innen berichteten, dass die Therapie ihnen noch mehrere Monate nach Abschluss wichtige, teilweise lebensverändernde Impulse gegeben hatte.

Auf beiden Symposien wurde betont, wie wichtig eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschenden, Therapeut:innen und politischen Entscheidungsträger:innen ist, um die Entwicklung sicherer und effektiver Therapieoptionen zu gewährleisten. Eine wichtige Erkenntnis ist auch, dass psychedelische Erfahrungen im Rahmen einer klar strukturierten, therapeutischen Nachsorge integriert werden müssen. Erst diese Betreuung ermöglicht es Patient:innen, das Erlebte zu verarbeiten und langfristige Fortschritte zu erzielen. Solche Nachsorge muss personalisiert und differenziert gestaltet werden: einige Patient:innen profitieren von therapeutisch geleiteten Integrationsgruppen. Andere berichteten, dass insbesondere die leitungsfreien, selbstgestalteten Treffen unter den Patient:innen nach Abschluss der Therapie ein positiver Entwicklungsfaktor waren. 

Insgesamt stellten die beiden Veranstaltungstage nicht nur einen Meilenstein in der Forschung zur psychedelischen Therapie dar, sondern auch einen bedeutenden Schritt hin zur Weiterentwicklung von Behandlungsansätzen bei Depressionen. Begleitet wurde das Symposium von einer regen wissenschaftlichen Diskussion sowie lebhaften Networking-Möglichkeiten.

Am Ende des zweiten Tages gab Gerd Gründer einen Ausblick auf konkrete Schritte zur Einführung der Psilcoybin-augmentierten Psychotherapie. Er und die MIND Foundation arbeiten seit einiger Zeit an einer bislang beispiellosen Studie zur möglichen Implementation der Therapie mit Psilocybin in die öffentliche Gesundheitsversorgung (mit Erstattung durch die gesetzliche Krankenversicherung). Deren Vorbereitung durch die entsprechenden wissenschaftlichen Beratungen beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der European Medicines Agency (EMA) und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) wurde in den letzten beiden Jahren bereits von Deutschlands Bundesagentur für Sprunginnovationnen (SPRIND) unterstützt. Der Name der Studie ist zugleich wissenschaftliches Programm: Disease Modification with Psilocybin-Assisted Psychotherapy versus Standard Treatment in Major Depression (DiMension). Ob die Therapie mit Psychedelika dieses Potential besitzt und dadurch einen Zusatznutzen gegenüber der Leitlinientherapie belegen kann: das ist zu zeigen. 

Quellen: 

  1. Mertens, L. J., Koslowski, M., Betzler, F., Evens, R., Gilles, M., Jungaberle, A., Jungaberle, H., Majić, T., Ströhle, A., Wolff, M., Wellek, S., & Gründer, G. (2022). Methodological challenges in psychedelic drug trials: Efficacy and safety of psilocybin in treatment-resistant major depression (EPIsoDE) – Rationale and study design. Neuroscience Applied, 1, 100104. https://doi.org/10.1016/j.nsa.2022.100104
     
  2. Gründer, G., Brand, M., Mertens, L. J., Jungaberle, H., Kärtner, L., Scharf, D. J., Spangemacher, M., & Wolff, M. (2024). Treatment with psychedelics is psychotherapy: Beyond reductionism. The Lancet. Psychiatry, 11(3), 231–236. https://doi.org/10.1016/S2215-0366(23)00363-2 
     
  3. Gründer, G., & Jungaberle, H. (2021). The Potential Role of Psychedelic Drugs in Mental Health Care of the Future. Pharmacopsychiatry, 54(04), 191–199. https://doi.org/10.1055/A-1486-7386 

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