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Clinical Psychology Psychedelic Therapy


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Einander nach Hause begleiten

Akzeptanz, Verbindung und Verkörperung in der psychedelischen Therapie

Übersetzt von Fabian Hummel, editiert von Marvin Däumichen

Während psychedelisch-unterstützte Therapien immer häufiger angeboten werden, müssen diese an die Bedürfnisse einzelner Personen auf ihrem Weg zur Besserung angepasst werden. Das Ace-Modell als thematischer Leitfaden könnte einen Rahmen bieten, um diesen individuellen und speziellen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Für manche Menschen kann das Bearbeiten psychologischer Probleme durch klassische Psychotherapie Jahre dauern und extrem teuer sein. Ein Grund dafür ist, wie ich in meiner Arbeit als integrative Beziehungstherapeutin in den letzten zehn Jahren beobachtethabe, dass jene Erfahrungsmomente, die eine echte Veränderung im therapeutischen Prozess bewirken – wie das Wiederauftauchen alter Wunden – ziemlich selten sind. Psychedelika hingegen sorgen zuverlässig für solche Erfahrungsmomente und haben daher ein großes Potenzial als Katalysator für die Therapie. Auch habe ich Hoffnung auf die Möglichkeit eines verbesserten Zugangs zu Behandlungsmöglichkeiten für diejenigen in unserer Gesellschaft, die nicht über die Mittel verfügen, eine jahrelange Psychotherapie zu bezahlen.

Trotz des vielversprechende Potenzials von Psychedelika selbst möchte ich auf die grundlegende Bedeutung der Therapie in diesem Zusammenhang hinweisen. Ohne die Therapie – in der Vorbereitung auf die psychedelische Erfahrung, während der Erfahrung selbst und in der anschließenden Integration der Erfahrung – können Menschen eine verwirrende, überwältigende, oder möglicherweise wunderbare und aufregende Reise in ein verändertes Bewusstsein erleben und dennoch nichts mitnehmen, was ihr tatsächliches tägliches Leben wesentlich verändert.

Während meiner Arbeit an klinischen Studien mit Psilocybin am Imperial College London (unter der Leitung von Prof. Dr. Robin Carhart Harris und Prof. Dr. David Nutt) führte meine Kollegin Dr. Rosalind Watts eine qualitative Analyse durch, die zur Entwicklung des ACE-Therapiemodells führte.1 ACE (in Anlehnung an die Acceptance and Commitment-Therapie, ACT) ist ein grober Leitfaden für Therapeut:innen, die mit psychedelischen Erfahrungen arbeiten. Der Leitfaden ist eher thematisch als formelhaft gestaltet und nutzt die Konzepte des Akzeptierens, Verbindens und Verkörperns (engl. Accept, Connect, Embody), um das psychische Wohlbefinden der Teilnehmenden zu fördern. Es bietet einen losen Rahmen von Schlüsselkonzepten und eine einfache Sprache, die genutzt werden kann, um innere Prozesse der Teilnehmenden zu betrachten und eine Vertiefung der einzelnen Themen zu fördern. Die Idee ist, dass, je nach Patient:in und jeweiliger Sitzung, verschiedene Aspekte dieser Themen in Patient:innen kultiviert oder von Therapeut:innenangenommen, sowie jedes Mal anders genutzt werden können. Trotz dieser Unterschiede in der Anwendung glaube ich, dass es diese drei festen Themen – Akzeptieren, Verbinden, Verkörpern – sind, die zu den positiven Ergebnissen unserer Studie beigetragen haben und damit die Bedeutung der Therapie, zusätzlich zur psychedelischen Behandlung selbst, unterstreichen.

In diesem Essay verwende ich das ACE-Modell als Vorlage, um zu untersuchen, wie Therapie die psychedelische Erfahrung während einer klinischen Studie unterstützen und verbessern kann. Dazu werde ich veranschaulichen, wie diese Themen die psychedelisch-unterstützte Therapie verbessern können, indem ich mich auf die Erfahrungen der Proband:innen stütze, die in unserer klinischen Studie Psilocybin erhalten haben. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich die Integrationssitzungen in dieser Studie auf den Tag unmittelbar nach der Sitzung beschränkten und dass die therapeutische Beziehung, bis auf ein Check-in drei Monate nach der Studie, nicht weiter fortgesetzt wurde.

Vorbereitung

Von Anfang an, d. h., schon beim telefonischen Erstinterview, bemühen wir uns, eine Verbindung zu den potenziellen Studienteilnehmenden aufzubauen. Da unsere größten Wunden oft in Beziehungen entstehen und durch Beziehungen geheilt werden können, beginnen wir den Prozess des Aufbaus von Vertrauen, Sicherheit und gemeinsamen Zielen, indem wir die Lebensgeschichten, Probleme und Hoffnungen der Teilnehmenden verstehen und uns darauf einstellen. Der Aufbau dieser Verbindung ist ein wesentlicher Bestandteil des Potenzials psychedelisch-unterstützter Therapie, ein Element, dem vielleicht nicht so viel Beachtung geschenkt wird wie dem neuropharmakologischen Aspekt dieser Behandlung.

Die Erfahrung eines Teilnehmers an meiner zweiten Psilocybin-Studie – ich werde ihn Dylan nennen – hilft, die Bedeutung der Verbindung zu verdeutlichen. Dylan war so besorgt über die Vorbereitungssitzung, dass er fast nicht teilgenommen hätte: Er sagte uns, dass er darüber nachdenke, lieber ein Bier trinken zu gehen und „alles auf den Kopf zu hauen”.. Während der Sitzung war er weinerlich und verletzlich. Als wir mehr über seine Geschichte erfuhren, begannen wir zu verstehen, warum er sich so fühlen könnte. Dylan hatte eine unglaublich attraktive Mutter – eine Ballerina -, die zugab, dass sie nie Kinder wollte und dachte, Mutterschaft würde ihre Karriere behindern. Sein Vater verehrte sie und ließ zu, dass sie ihre Kinder strafend und grausam behandelte. Dylan wurde im Alter von sechs Jahren ohne Vorwarnung auf ein Internat geschickt – seine Mutter ließ ihn dort ohne Erklärung zurück.

Da er spürte, dass er eine Verbindung und Vertrauen sowohl zu sich selbst als auch zu anderen aufbauen musste, um sich vor der Erfahrung sicher zu fühlen, griffen wir als nächstes auf die Themen Akzeptanz und Verkörperung zurück. Wir hörten uns Dylans Geschichte einfühlsam an und erkundeten seine Bedenken darüber, was in der Erfahrung auftauchen könnte, und stellten fest, dass er befürchtete, die Wut auf seine Mutter könnte zum Vorschein kommen. Wir versicherten ihm, dass dies in Ordnung sei und dass wir seine Wut „halten” könnten, sollte sie aufkommen. Wir sprachen auch über die Visualisierung „Tauchen nach Perlen”, die ein zentraler Bestandteil der Vorbereitungssitzung ist. Diese Visualisierung soll eine Haltung der Neugierde, des Mutes und der Akzeptanz gegenüber unseren Ängsten und Schmerzen fördern und die Patient:innen so auf die eigentliche, „verkörperte” Erfahrung vorbereiten. Die Analogie ist das Tauchen nach stacheligen Austernschalen im tiefsten und dunkelsten Teil des Ozeans (oder unserer Psyche). Die Hoffnung ist, dass unerschrockene Entdecker:innen dadurch eine Perle der Weisheit, eine Einsicht oder ein Gefühl der Verbundenheit erreichen. Dylan teilte später die Empfindung, dass die Visualisierung ihn gut auf die Erfahrung vorbereitet und sein Vertrauen in mich und meinen Kollegen, Jonny Martell, gefestigt hat.

Erleben

Ausgehend von der Überzeugung, dass der/die Klient:in den Prozess leitet (durch Äußerungen über sich selbst – Wünsche, Ängste, Sehnsüchte, Schwierigkeiten etc.), ermutigt ACE Therapeut:innen dazu, während der gesamten Sitzung einfach an der Seite ihrer Klient:innen zu bleiben, damit diese ihre innere Arbeit, die durch die psychedelische Erfahrung katalysiert wird, in einem sicheren und unterstützenden Rahmen durchführen können. Grundlegend für das ACE-Modell ist die Überzeugung, dass die warme, nicht-direktive, verkörperte Anwesenheit des/r Therapeut:in die heilsame Wirkung der psychedelischen Behandlung überhaupt erst ermöglicht, indem sie das Potenzial schafft, dass Patient:innen sich mutig und neugierig genug fühlen, um den Ursachen ihrer Beschwerden auf den Grund zu gehen.

Dylans Erfahrung war geprägt von einer größeren Verkörperung, Selbstakzeptanz und Verbundenheit mit seiner Umwelt. Er hatte noch nicht gefrühstückt, weshalb die Substanz schnell wirkte und die akute Erfahrung rasch eintrat. Er sprach davon, dass er ein angenehmes Körpergefühl verspüre und Klang schmecken könne (Synästhesie). Er bewegte sich viel und meinte, er fühle sich frei in seinem Körper. Wir bemerkten, dass er oft Gebetsgesten zu machen schien. Er sagte, er fühle sich „gebadet in Gottes Liebe”. Später sprach er über das Gefühl, „dass es in Ordnung sei, ich zu sein”, und dass er dies als eine große Offenbarung empfand. Er empfand viel Demut und Dankbarkeit und kommentierte jeden Aspekt der Erfahrung (das Betrachten des Naturbuchs von Katie Scott zu Beginn, die „brillante” Playlist, die goldene Schale mit den Psilocybin-Kapseln, die Guides) mit Wertschätzung. Er beschreibt es so: „Es war, als ob der Körper emotional wäre. Es war fast so, als könnte ich die Musik schmecken.”

Eine andere Teilnehmerin – ich nenne sie Ella – erzählte uns, wie sehr ihr die Ermutigung, mit Mut, Neugier und Akzeptanz in schwierige Gefühle hineinzugehen und sie zu durchleben, während ihrer Erfahrung geholfen hat. Ella wuchs mit einer depressiven Mutter und einem abwesenden Vater auf. Sie kam damit zurecht, indem und sich verrenkte, um andere glücklich zu machen. Durch ihre psychedelische Erfahrung war sie in der Lage, über den Chamäleon-Aspekt ihrer Persönlichkeit nachzudenken – all die verschiedenen „Kostüme”, die sie unbewusst getragen hatte, um sich anzupassen – ohne zu urteilen. Ellas größter emotionaler Durchbruch war die Auseinandersetzung mit ihren Selbstzweifeln in Bezug auf ihr Identitätsgefühl und ihren Selbstglauben. Sie war in der Lage, sich „in und durch” diese Zweifel zu bewegen und fühlte dann eine Welle des Selbstbewusstseins, indem sie feststellte: „Ich habe eine Menge zu tun und eine Menge zu bieten”. Während der Erfahrung hatte sie das Gefühl, dass ihr beigebracht wurde, wieder zu fühlen, als ob sie jede Emotion ausprobieren oder verkörpern und die Unterschiede zwischen ihnen genießen würde.

Integration

In meiner Arbeit als Therapeutin habe ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen Narrative entwickeln müssen, die ihnen sowohl ihre Autonomie zurückgeben, als auch ein Bewusstsein dafür schaffen, wie abhängig wir alle voneinander sind. Deshalb biete ich Teilnehmenden in der Integrationsphase der Studie einen sicheren, nicht-direktiven Rahmen, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen auf eine Art und Weise verarbeiten können, die ihnen eine tiefere Verbindung zu sich selbst und anderen ermöglicht.

Während seiner Erfahrung konnte Dylan auf die Fähigkeit zugreifen, mutig und neugierig zu sein und sich der aufkommenden Dunkelheit und Angst zu stellen. In unserer Integrationssitzung berichtete er, dass er sich „so verbunden” fühle, ein ganzheitlicheres Selbstgefühl erlebe und sich so gut fühle wie seit fünfundzwanzig Jahren nicht mehr. Dylan reflektierte, dass er sich sicher und gut auf die Erfahrung vorbereitet gefühlt habe, und wie dankbar er dafür gewesen sei. Er sagte: „Ihr Rat, das zu tun, war sehr, sehr hilfreich. Ich könnte mir vorstellen, dass es unglaublich …. beängstigend sein kann, wenn man die Leute offen in eine Richtung drängt, in der man ihnen nicht dieses Gefühl der Sicherheit gibt. Es gab Punkte, an denen es unglaublich herausfordernd war …. Ich wollte mich nur innerlich damit auseinandersetzen, weil ich das Gefühl hatte, dass es mich einfach überfordern würde, wenn ich es ausdrücken würde. Und wissen Sie, der Teil, der davon handelt, sich selbst zu lieben? Ich war noch nie in der Lage, mir das zu erlauben, es war einfach eine wirklich erstaunliche Erfahrung. Also, vielen Dank.”

Dylan schrieb uns ein paar Wochen nach seinem Erlebnis. Er erwähnte, dass sich seine Verbindung zu anderen, insbesondere zu seiner Familie, stark verbessert habe und dass er immer noch das Gefühl habe, nicht mehr depressiv zu sein, obwohl er sich bewusst darüber sei, dass es wiederkommen könnte.

„Erstens danke ich Ihnen, dass Sie mir den Raum und das Mitgefühl gegeben haben, zu akzeptieren, dass es in Ordnung ist, nicht in Ordnung zu sein. Es war so hilfreich, nichtdiskriminiert oder verurteilt zu werden für etwas, über das ich keine Kontrolle hatte und das mein Leben in den letzten zwanzig Jahren beherrscht und ruiniert hat. Die Möglichkeit, offen über meine Gefühle zu sprechen und sie zu akzeptieren, war an sich schon heilsam.”

Für Ella war die neu entdeckte Verbindung zu ihrem Selbstbewusstsein ein figurativer Ausdruck ihrer Integration. Sie war wie ein aufgeregtes Kind, das vor Wertschätzung sprudelte – für uns, für die Erfahrung, für ihre neu entdeckte Kreativität. Als wir nach einer Woche mit ihr sprachen, beschrieb sie, dass sie „sehr viel schreibt” und sich für einen Kurs über imaginatives Schreiben angemeldet habe. Sie sprach davon, dass sie das Gefühl habe, selbst entscheiden zu können, welchen Gedanken sie folge und welche Überzeugungen sie annehme.

Schlussfolgerung

Menschen dabei helfen zu können, ihre Heilungsprozesse mit Hilfe von Psychedelika zu verbessern und zu fördern, ist ein Prozess, der einem Bescheidenheit lehrt. Ich bin begeistert von der Möglichkeit, diese Art von therapeutischen Bemühungen auszuweiten – insbesondere auf Menschen, die Ausgrenzung, Traumatisierung und Unterdrückung erfahren haben.

Wenn psychedelisch-unterstützte Therapie zu einer institutionell-regulierten Behandlung für psychische Erkrankungen werden sollte, wäre meiner Meinung nach jedoch ein differenzierterer Ansatz vorzuziehen, der an die Bedürfnisse jeder einzelnen Person, an einem bestimmten Punkt ihres Heilungsprozesses, angepasst werden kann. Ein solcher Ansatz könnte es uns ermöglichen, mehr Menschen zu helfen, die unter den komplexeren Formen von Trauma leiden. ACE könnte einen Rahmen bieten, um diesen individuellen und speziellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Psychedelika haben ein enormes Potenzial, vielen Menschen zu helfen, wenn sie mit dem nötigen Respekt und der nötigen Sorgfalt eingesetzt werden, wozu auch gehört, dass sie mit einer geeigneten Therapiemethode kombiniert werden.

Um mich in meiner eigenen Rolle zu erden und mich daran zu erinnern, dass ich dabei helfe, das Gefäß zur Entfaltung des inneren Heilungsprozesses eines Menschen bereitzustellen, erinnere ich mich an die einfache, zu Herzen gehende Botschaft von Ram Dass:

“We are all just walking each other home.” – wir begleiten uns alle bloß gegenseitig nach Hause.#

 

Disclaimer: Dieser Blogpost wurde von Volontären übersetzt und editiert. Die Mitwirkenden repräsentieren nicht die MIND Foundation. Wenn Ihnen Fehler oder Unklarheiten auffallen, lassen Sie es uns bitte wissen – wir sind für jede Verbesserung dankbar ([email protected]). Wenn Sie unser Projekt zur Mehrsprachigkeit unterstützen wollen, kontaktieren Sie uns bitte um der MIND Blog Translation Group beizutreten!

Referenzen

  1. Watts R, Luoma JB. The use of the psychological flexibility model to support psychedelic assisted therapy. J Context Behav Sci. 2020 Jan;15:92–102.

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