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Psychedelika-induzierte Kreativität: Fakt oder Fiktion?

Übersetzt in der Blog Translation Group, editiert von Marvin Däumichen

Psychedelische Substanzen und kreatives Schaffen scheinen über die Geschichte hinweg eng miteinander verbunden zu sein. Unzählige MusikerInnen und KünstlerInnen haben sich Berichten zufolge von psychedelischen Erfahrungen inspirieren lassen, und dies hat sich in künstlerischen Bewegungen und populärkulturellen Erzählungen gleichermaßen niedergeschlagen. Aber was sagt die Forschung dazu? Machen Psychedelika die Menschen tatsächlich kreativer? Um mehr darüber zu erfahren, habe ich mit Dr. Natasha Mason über eine Studie gesprochen, die sie vor kurzem gemeinsam mit ihren Kollegen von der Universität Maastricht veröffentlicht hat und in der ebendieses Thema untersucht wurde: Mason, N.L., Kuypers, K.P.C., Reckweg, J.T. et al. Spontaneous and deliberate creative cognition during and after psilocybin exposure. Translational Psychiatry 11, 209 (2021).

L: Was inspirierte Sie dazu, die Beziehung zwischen Psychedelika und Kreativität zu untersuchen?

N: Das ist eine gute Frage, und ich denke, sie kann von mehreren Seiten aus beantwortet werden. Zum einen gibt es eine interessante anekdotische Seite mit zahlreichen Aussagen von Menschen, die behaupten, dass die Einnahme von Psychedelika ihre Kreativität steigere. Diese Berichte stammen von einer Vielzahl an Personen, unter ihnen WissenschaftlerInnen, IngenieurInnen, KünstlerInnen, AutorInnen und berühmte Persönlichkeiten, die sich in dieser Weise geäußert haben. Die wissenschaftliche Literatur darüber, ob dies der Fall ist oder nicht, war jedoch sehr dürftig. Es gab ein frühes historisches Interesse und sehr spannende Studien, die definitiv den Anfang des wissenschaftlichen Feldes darstellten, aber es fehlte ihnen an der methodologischen Strenge, die wir heute anwenden würden. Einige naturalistische Arbeiten wurden auch von unserer Gruppe durchgeführt, in denen untersucht wurde, ob sich Aspekte der Kreativität verbesserten, nachdem die TeilnehmerInnen an einem psychedelischen Retreat teilgenommen hatten.1 Dabei handelte es sich jedoch um selbst gewählte Stichproben, und auch hier gibt es methodische Probleme, sodass wir uns sagten: Okay, wir wollen unsere Experimente nach dem Goldstandard durchführen! Placebokontrolliert, doppelblind. Fördern Psychedelika die Kreativität, sowohl akut als auch langfristig, wie behauptet wird? Es war also interessant, das Ganze von der Seite der psychedelischen Forschung aus zu betrachten.

Aber es gibt auch die therapeutische Seite. So wurde festgestellt, dass die Kreativität oder die Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen, bei verschiedenen psychischen Störungen wie Depressionen und Angstzuständen eingeschränkt ist. Betroffene stecken in ihren Problemen fest und sind nicht in der Lage, sich alltäglichen Umständen anzupassen. Es wird daher angenommen, dass Kreativität auch bei der Behandlung psychischer Störungen eine Rolle spielt. Sollte es gelingen die Kreativität zu steigern, kann möglicherwiese auch die Problembewältigung verbessert und eine adaptive Interpretation von Herausforderungen des Lebens angeregt werden. Dies ist im Hinblick auf die Wirkung psychedelischer Substanzen interessant, denn wie wir wissen werden diese zur Behandlung von Störungen wie Depressionen und Angstzuständen untersucht, und Patienten berichten, dass sie kreative Einsichten in ihre Probleme gewinnen. Da diese Einsichten eine langfristige therapeutische Veränderung ermöglichen könnten, dachten wir, dass es hier Überschneidungen gibt, die eine Untersuchung der durch Psychedelika ausgelösten Kreativität auch therapeutisch äußerst relevant machen.

L: Wie haben Sie untersucht, ob Psychedelika einen Einfluss auf die Kreativität haben?

N: Zunächst einmal muss ich erklären, wie wir Kreativität definieren, denn Sie denken vielleicht an Malerei, Musik oder andere Künste. In der wissenschaftlichen Literatur wird Kreativität jedoch so definiert, dass sie aus zwei gedanklichen Konstrukten besteht. Das erste ist das divergente Denken und das zweite das konvergente Denken. Ich beschreibe diese gewöhnlich mit einem Beispiel: Wenn Sie durch Brainstorming versuchen ein Problem zu lösen, ermöglicht Ihnen das divergente Denken, so viele Lösungen wie möglich für jenes Problem zu finden, während Sie durch konvergentes Denken entscheiden, welche die beste Lösung ist. Dies ist demnach eine sehr zielgerichtete Form der Kreativität, und unsere Aufgaben bewerten Kreativität auf diese Weise.

In der Studie haben wir eine Aufgabe zu alternativen Verwendungsmöglichkeiten (engl. „Alternate Uses Task“) verwendet, welche der Goldstandard für die Bewertung des divergenten Denkens ist. Hier bitten wir die TeilnehmerInnen, sich Verwendungsmöglichkeiten für einen Alltagsgegenstand wie einen Ziegelstein oder einen Stift auszudenken, und sie müssen aufschreiben, wie viele verschiedene Verwendungsmöglichkeiten ihnen einfallen. Wir bewerten jede Antwort nach ihrer Geläufigkeit, das heißt wie viele Verwendungsmöglichkeiten erdacht wurden, sowie nach ihrer Originalität, das heißt wie einzigartig sie sind. Dazu vergleichen wir jede Antwort mit den Antworten aller anderen TeilnehmerInnen. Wenn ich zum Beispiel sage, dass ich mit einem Ziegelstein ein Fenster einschlagen kann, und andere Personen ebenfalls sagen, dass sie mit jenem Ziegelstein auch ein Fenster einschlagen können, dann wäre das ein niedriger Originalitätswert, weil die Antwort nicht einzigartig ist. Für unsere Studie fragten wir auch, wie viele Verwendungsmöglichkeiten ihnen einfielen, die für sie völlig neu waren, das heißt für die sie diesen Gegenstand noch nie zuvor gesehen oder sich vorgestellt hatten. Dadurch wurde die Dimension “Neuheit” zu unseren Messungen des divergenten Denkens hinzugefügt.

Wir haben auch eine Bild-Konzept Aufgabe (engl. “Picture Concept Task”) verwendet, mit der sowohl divergentes als auch konvergentes Denken bewertet werden. Hier zeigen wir den Teilnehmenden drei Reihen mit drei Bildern, zwischen denen sie Assoziationen herstellen müssen. Es gibt immer eine richtige Antwort, wobei die Anzahl der richtig erkannten Assoziationen über die gesamte Aufgabe hinweg als Maßstab für konvergente Kreativität dient. Nachdem sie die richtige Antwort gefunden haben, bitten wir sie, sich alle alternativen kreativen Antworten zu überlegen, die sie finden können. Wir zählen, wie viele Antworten sie haben, und die Teilnehmenden schreiben auf, weshalb sie diese Assoziation gefunden haben, was dann von objektiven Bewertern zur Bewertung der Originalität herangezogen wird. Schließlich gab es noch einen Fragebogen, in dem die Teilnehmenden gefragt wurden, wie kreativ sie sich fühlten, und zwar nicht speziell während der Aufgaben, sondern während des gesamten Testtages. Er beinhaltete Aussagen wie “Ich hatte Einsichten in Probleme”, “Ich hatte Einsichten in Zusammenhänge, die mich zuvor verwirrt hatten” oder “Ich hatte sehr originelle Gedanken”, die die TeilnehmerInnen nach dem Testtag bewerteten.

L: Könnten Sie das Studiendesign und die Substanzen, die die TeilnehmerInnen erhielten, näher erläutern?

N: Es handelte sich um eine Vergleichsstudie mit 60 Personen, von denen 30 eine moderate Dosis Psilocybin erhielten. Der Durchschnitt lag bei etwa 15 Milligramm, vielleicht auch etwas weniger. “Mittlere” Dosen sind schwer zu quantifizieren, aber es handelt sich nicht um Dosen, die zu einer ‘Ich-Auflösung‘ führen; die Menschen sind immer noch in der Lage, unsere Aufgaben zu erfüllen. Die andere Gruppe erhielt natürlich ein Placebo. Die Vergleiche erfolgten zwischen den Versuchspersonen, weil wir an den längerfristigen Wirkungen interessiert waren, die wir sieben Tage nach der Psilocybin-Dosis gemessen haben.

L: Was haben Sie entdeckt? Beeinflusst Psilocybin die Kreativität?

N: Nun, wir haben nicht das feststellen können, was wir als Hypothese aufgestellt hatten! Wir haben beobachtet, dass die TeilnehmerInnen unter dem Einfluss von Psilocybin in allen Aspekten unserer Aufgaben schlechter abschnitten als unter dem Placebo. Sowohl die divergente als auch die konvergente Kreativität waren reduziert, aber gleichzeitig gaben die TeilnehmerInnen an, sich kreativer zu fühlen. Auch hier wurde dieses Gefühl der Kreativität nicht speziell in Bezug auf die Aufgaben bewertet; vielmehr berichteten die TeilnehmerInnen, dass sie während des gesamten Testtages mehr Einsichten hatten.

Wir führten auch einige bildgebende Untersuchungen des Gehirns durch, um Korrelationen zwischen Veränderungen im Gehirn und im Verhalten zu analysieren. Zu diesem Zweck untersuchten wir zwei Gehirnnetzwerke: Das Default-Mode-Netzwerk (DMN), das bei der Ideengenerierung im Hinblick auf divergente Kreativität eine Rolle spielt, und das Task-Positive-Netzwerk, das eher an der Bewertung von Ideen beteiligt ist, also an konvergentem Denken.

Wir fanden heraus, dass Psilocybin Veränderungen in der Aktivität dieser Netzwerke auslöste, die mit unseren Messungen des divergenten und konvergenten Denkens in der von uns erwarteten Weise korrelierten. Genauer gesagt stand eine akut verringerte funktionelle Konnektivität innerhalb des DMN in Zusammenhang mit einer Beeinträchtigung des divergenten Denkens, während eine akut verringerte funktionelle Konnektivität zwischen dem DMN und dem Task-Positive-Netzwerk mit einer Beeinträchtigung des konvergenten Denkens zusammenhing.

Sieben Tage später kehrten die TeilnehmerInnen ins Labor zurück. Wir stellten größtenteils keine Unterschiede zwischen den Gruppen fest; in der Psilocybin-Gruppe zeigte sich jedoch ein signifikanter Anstieg der Anzahl neuer Ideen, die sie bei der „Alternate Uses Task“ hatten. Interessanterweise stellten wir auch fest, dass die TeilnehmerInnen am siebten Tag umso mehr neue Ideen hatten, je mehr subjektive Kreativität sie am Tag der akuten Tests angaben.

In Bezug auf die Frage, was im Gehirn vor sich geht um diese anhaltende Zunahme neuer Ideen aufrecht zu erhalten, fanden wir Korrelationen zwischen einer akut verringerten funktionellen Konnektivität im DMN und einer langfristig verbesserten Leistung im Zusammenhang mit divergentem Denken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine verringerte funktionelle Konnektivität des DMN innerhalb des Netzwerks sowohl mit einer akuten Verringerung des divergenten Denkens als auch mit einer subakuten Zunahme des divergenten Denkens korrelierte – dies erscheint kontraintuitiv, könnte aber im Einklang mit früheren Arbeiten stehen.

Insbesondere wird angenommen, dass das DMN dem Prozess der Ideengenerierung beim divergenten Denken zugrunde liegt. Es wäre also zu erwarten, dass eine akute Verringerung der funktionellen Konnektivität des DMN zu einer akut schlechteren Leistung im divergenten Denken bei einer Kreativitätsaufgabe führt. Allerdings haben frühere Arbeiten gezeigt, dass Psychedelika zwar akut die funktionelle Konnektivität innerhalb des DMN verringern, aber subakut die Integrität des DMN erhöhen, möglicherweise durch einen neuroplastischen Effekt auf die Funktion des Gehirnnetzwerks. Es könnte also sein, dass die subakute Psilocybin-induzierte Zunahme der funktionellen Konnektivität des DMN die verstärkte Generierung neuer Ideen erleichtert.

L: Es ist interessant, dass TeilnehmerInnen unter dem Einfluss von Psilocybin bei allen Kreativitätsaufgaben schlechter abschnitten, aber angaben, sich kreativer zu fühlen. Können Sie erklären, was hier vor sich geht?

N: Wir haben zwei Erklärungsansätze für diese widersprüchlichen Ergebnisse vorgeschlagen. Erstens könnte es sein, dass die Menschen denken, sie seien kreativer, wenn sie unter dem Einfluss eines Psychedelikums stehen, aber in Wirklichkeit sind sie es nicht. Eine bekannte Wirkung von Psychedelika besteht darin, dass sie das Gefühl der Einsicht, des Tiefgangs und der Bedeutungszuschreibung für zuvor neutrale Reize verstärken. Vielleicht denken Sie daran, ein Fenster mit einem Ziegelstein einzuschlagen, und aufgrund dieses gesteigerten Gefühls der Tiefe glauben Sie, dass dies ein sehr origineller Gedanke ist, obwohl das eigentlich nicht der Fall ist. Das wäre also eine Erklärung.

Eine andere Erklärung, welche wir favorisieren, ist, dass es verschiedene Arten von Kreativität gibt. Es gibt eine Art von Kreativität, die so genannte absichtliche Kreativität, die sich dadurch auszeichnet, dass sie höhere Aufmerksamkeit erfordert und zielgerichtet ist. Diese Art von Kreativität haben wir in unserer Studie mit diesen Aufgaben gemessen. Der bewussten Kreativität kann die spontane Kreativität gegenübergestellt werden – ein geistiger Zustand, der eher durch ungezügelte, bizarre, zufällige und ungefilterte Gedanken gekennzeichnet ist. Dabei geht es weniger darum, die Menschen aufzufordern, kreativ zu sein, sondern eher darum, dass sie ihre Gedanken in kreativen Sphären fließen lassen. Das ist es, was mit unserem Fragebogen erfasst wird. Diese Unterscheidung könnte bedeuten, dass unsere Ergebnisse einen Rückgang dieser bewussten, zielgerichteten Kreativität zeigen, dass aber die spontane Einsicht, diese Art des Loslassens der Gedanken, möglicherweise zunimmt. Wenn die Wirkung der Substanz nachlässt, nimmt die bewusste Kreativität vielleicht wieder zu, wie wir in unserer Studie gesehen haben. Nachdem wir die Studie veröffentlicht hatten, gab es im Internet ein Kommentar, das dies sehr gut zusammenfasste: “Man kann [unter dem Einfluss eines Psychedelikums] einige der coolsten, interessantesten Denkansätze erleben, aber gleichzeitig kann das Einschalten des Fernsehers wie ein fast unmögliches Hindernis erscheinen.” Die TeilnehmerInnen hatten also vielleicht all diese großartigen Gedanken, konnten aber nichts damit anfangen. Das ist sehr interessant im Hinblick darauf, wie wir über die Bewertung von Kreativität nachdenken und welche Aufgaben wir zur Bewertung verwenden. Wir bitten die TeilnehmerInnen, ihre Antworten aufzuschreiben, die Aufgaben sind zeitlich begrenzt und fordern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit. Wir wissen, dass Psychedelika die Aufmerksamkeitsspanne, die motorische Koordination und die Sprachproduktion verringern,2-4 sodass all dies einen Einfluss darauf haben könnte, warum wir diese akuten Beeinträchtigungen bei unseren Aufgaben feststellen. Es könnte sich um eine Verringerung der bewussten Kreativität handeln, aber vielleicht spiegelt sich darin auch eine verminderte Fähigkeit wider, diese Aufgaben richtig zu lösen. Und das wiederum könnteunsere Möglichkeiten einschränken, die Wirkung dieser Substanzen auf Kreativität wirklich zu untersuchen.

L: Mir ist aufgefallen, dass alle Ihre Aufgaben mit der Sprachproduktion zu tun haben und habe mich gefragt, ob das die Ergebnisse in irgendeiner Weise erklären könnte. Glauben Sie, dass Ihre Aufgaben stark von der Sprachmodalität abhängen? Und dass der Fokus auf Kreativität in einer anderen Modalität zu anderen Ergebnissen führen könnte?

N: Ja, genau. Ich betrachte diese Studie als die erste in einer Reihe von vielen Weiteren, die noch folgen. Wir haben untersucht, ob die Substanz (Psilocybin) eine Wirkung hat, indem wir diese standardisierten Kreativitätsmessungen verwendeten. Das sind Aufgaben, die in allen Bereichen angewandt werden, und ich denke, diese Studie war notwendig damit wir nun über die Anpassungen in der Methodik nachdenken können. Wir haben die Studie nach dem Goldstandard durchgeführt, aber die Aufgaben wurden an Gruppen validiert, die alle ihre Fähigkeiten haben, die schreiben können und nicht in Fähigkeiten wie etwa der Sprachproduktion beeinträchtigt sind. Wir müssen dieses Forschungsdesign nun definitiv an Menschen im akuten psychedelischen Zustand anpassen indem wir zum Beispiel den Zeitdruck wegnehmen oder die Leute reden anstatt schreiben lassen, oder, wie Sie sagten, indem wir andere Modalitäten wie Malen untersuchen. Ich muss zugeben, dass wir das tatsächlich in Erwägung gezogen haben. Aber es wird wirklich schwierig, denn wie soll man beurteilen, ob ein Gemälde kreativer als ein anderes ist oder nicht? Schaut man auf die Menge der Farben? Die Abstraktheit? Da dies nicht mein Fachgebiet ist, werde ich nie in der Lage sein, eine solche Studie durchzuführen, aber es wird umso schwieriger, je subjektiver die Beurteilung wird. Das Schöne an der von uns verwendeten „Picture Concept Task“ ist auch, dass wir mehrere BewerterInnen für die Originalitätsantworten einsetzen konnten. So gingen mehrere Personen die Antworten durch und sagten, wie originell sie diese fanden, und dann konnten wir diese verschiedenen Bewertungen untereinander vergleichen. Schließlich sind diese Aufgaben schon schwer genug zu bewerten. Ich denke, eine Malaufgabe wäre in ihrer Bewertung noch schwieriger, aber sie könnte einige Hürden wie die Sprachproduktion überwinden.

L: Sie haben erwähnt, dass Ihre Ergebnisse durch den Unterschied zwischen bewusster und spontaner Kreativität erklärt werden könnten. Das stimmt mit dem überein, was wir besprochen haben: Gibt es standardisierte Methoden oder können Sie sich geeignete Methoden vorstellen, um spontane Kreativität zu messen?

N: Bestimmt. Die Literatur über spontane Kreativität besteht hauptsächlich aus Fragebögen wie dem Fragebogen zum Umherschweifen der Gedanken, in dem den TeilnehmerInnen Fragen gestellt werden wie “Wohin gingen Ihre Gedanken?” und “Hielten Sie das für kreativ oder neuartig?” Eine Aufgabe, die wir in einer anderen Studie mit Ayahuasca verwendet haben, bezieht sich auf Ketten freier Assoziationen (engl. “Chain Free Association Task”) [Ergebnisse noch nicht veröffentlicht]. Mit dieser Aufgabe wird versucht, Gedankengänge zu erfassen. Man sagt zum Beispiel ein Wort wie “Schnee” und bittet dann die TeilnehmerInnen, sich ein Wort auszudenken, das damit zusammenhängt, etwa “Ball”. Dann wird gefragt, was ihnen in den Sinn kommt, wenn sie “Ball” hören, und so weiter. Anschließend wird der semantische Abstand zwischen den Wörtern gemessen, wobei ein größerer Abstand als kreativer gilt. Wenn ich zum Beispiel “Schnee” sage und Sie “Telefon”, wird das als kreativer angesehen, weil der semantische Abstand zum ersten Wort größer ist. Diese Aufgabe, die wir auf der Grundlage der bisherigen Literatur ausprobiert haben, ist die einzige, die mir tatsächlich einfällt. Ich bin mir aber sicher, dass es noch mehr gibt, von denen ich nichts weiß.

L: Spontane Kreativität lässt sich in einem Labor nur schwer beurteilen.

N: Genau. Ein weiterer Aspekt bei den Kreativitätsaufgaben, der meiner Meinung nach für Bevölkerungsgruppen mit Pathologien interessanter ist, besteht darin, sie individueller zu gestalten. Es interessiert niemanden, was man mit einem Ziegelstein macht, aber viel relevanter wäre die Schwerpunktsetzung auf ein persönliches Problem, das die TeilnehmerInnen lösen wollen und die Beiobachtung, ob ihnen mehr Ideen einfallen oder nicht. Das könnte auch die von mir erwähnte Aufmerksamkeitsbeeinträchtigung verringern, da die TeilnehmerInnen motivierter sind, sich mit einer solchen Aufgabe zu beschäftigen, weil sie einen Nutzen daraus ziehen können.

L: Eine letzte Frage: Viele Menschen, die diesen Blog lesen, möchten vielleicht psychedelische WissenschaftlerInnen werden – wie Sie selbst. Könnten Sie also einige erfreuliche, aufregende, interessante oder frustrierende Aspekte Ihrer Arbeit nennen?

N: Zunächst einmal möchte ich sagen, dass die ganze Sache Spaß macht! Die ganze Studie hat mir Freude bereitet, aber einer der hervorragenden Aspekte sind die TeilnehmerInnen, die immer sehr motiviert sind. Da die Wirkung dieser Substanzen lange anhält, verbringt man viel Zeit mit ihnen, und sie befinden sich in einem verletzlichen Zustand, was oft bedeutet, dass man die Menschen in dieser Zeit sehr gut kennen lernt.

Zwei Teilnehmende kommen mir bei dieser Frage besonders in den Sinn. Der eine war ein Doktorand, der die Studie nutzte, um Einblicke in seine eigene Arbeit zu gewinnen, und der anfing, mir einen Vortrag über dieses sehr komplexe, grundlegende neurowissenschaftliche Thema zu halten, während er eindeutig unter der Wirkung von Psilocybin stand. Er jedenfalls sein Bestes und war ganz begeistert, darüber zu sprechen, was sehr unterhaltsam war – auch wenn ich nicht alles verstand, was er sagte. Er erzählte mir hinterher, dass ihm während dieser Erfahrung etwas über seine eigene Forschung klar geworden sei und dass er sehr dankbar sei, dass er an dieser Studie teilnehmen konnte. Eine weitere denkwürdige Erfahrung mit Teilnehmenden bezieht sich auf den Aspekt der Gehirnbildgebung. Während eines Teils unseres Experiments liegen die Teilnehmenden in einem fMRT-Scanner, was für mich immer nervenaufreibend ist, weil man nie weiß, wie sie darauf reagieren werden, in diesem riesigen Gerät zu liegen, während sie unter dem Einfluss von Psilocybin stehen. Wenn man in einen fMRT-Scanner geht, durchläuft man ein sehr starkes Magnetfeld, das zu Schwindel und dem Gefühl führn kann, um eine Ecke zu biegen, obwohl man geradeaus fährt.

Dieser eine Teilnehmer kam in den Scanner und war sehr verwirrt und irgendwie schockiert, weil er eindeutig das Gefühl hatte, um eine Ecke zu fahren und fragte mich, warum er sich umdrehe. Als ich ihm sagte, dass er eigentlich geradeaus fahre, glaubte er mir nicht, und ich ließ ihn aussteigen, um ihm zu zeigen, dass er wirklich geradeaus fuhr. Interessanterweise war es manchmal am schwierigsten, die Teilnehmenden aus dem Scanner herauszuholen, denn wenn man erst einmal drin ist, kann es mit einer schönen Decke recht gemütlich sein und man fühlt sich ein bisschen wie im Mutterleib. Einige Teilnehmer baten mich sogar, noch ein bisschen länger drin zu bleiben.

Was die unangenehmen Aspekte angeht, so ist einer der frustrierendsten das Stigma, das dieser Art von Forschung immer noch anhaftet. Wenn wir diese Studien online veröffentlichen und nach TeilnehmerInnen suchen, bekommen wir Nachrichten von einer Menge Leute, die eigentlich keine Ahnung haben, was man da macht, und die Dinge sagen wie “Du bist ein schrecklicher Mensch, weil du Leuten Drogen gibst.” Auf der anderen Seite gibt es aber auch TeilnehmerInnen, die einfach nur denken: “Drogen zu nehmen und dafür bezahlt zu werden, hört sich superlustig an”, es aber überhaupt nicht ernst nehmen. Es kann also ein wenig frustrierend sein, dieses Stigma zu überwinden und herauszufinden, ob es den Leuten mit der Teilnahme wirklich ernst ist.

L: Vielen Dank, Natasha, für dieses Interview, und wir hoffen, dass das Stigma für die nächste Generation an WissenschaftlerInnen ein geringeres Problem darstellt!

Disclaimer: Dieser Blogpost wurde von Volontären übersetzt und editiert. Die Mitwirkenden repräsentieren nicht die MIND Foundation. Wenn Ihnen Fehler oder Unklarheiten auffallen, lassen Sie es uns bitte wissen – wir sind für jede Verbesserung dankbar (mail to: [email protected]). Wenn Sie unser Projekt zur Mehrsprachigkeit unterstützen wollen, kontaktieren Sie uns bitte um der MIND Blog Translation Group beizutreten!

Referenzen

  1. Kuypers KPC, Riba J, de la Fuente Revenga M, Barker S, Theunissen EL, Ramaekers JG. Ayahuasca enhances creative divergent thinking while decreasing conventional convergent thinking. Psychopharmacology (Berl). 2016 Sep;233(18):3395–403.

  2. Barrett FS, Carbonaro TM, Hurwitz E, Johnson MW, Griffiths RR. Double-blind comparison of the two hallucinogens psilocybin and dextromethorphan: effects on cognition. Psychopharmacology (Berl). 2018 Oct;235(10):2915–27. 

  3. Carbonaro TM, Johnson MW, Hurwitz E, Griffiths RR. Double-blind comparison of the two hallucinogens psilocybin and dextromethorphan: similarities and differences in subjective experiences. Psychopharmacology (Berl). 2018 Feb;235(2):521–34. 

  4. Sanz C, Pallavicini C, Carrillo F, Zamberlan F, Sigman M, Mota N, et al. The entropic tongue: Disorganization of natural language under LSD. Conscious Cogn. 2021 Jan 1;87:103070.


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