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Clinical Psychology Mental Health Psychedelic Therapy


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Psilocybin und emotionale Wiederverbindung

Lea Mertens im Interview mit Lukas Basedow

Übersetzt von Lukas Basedow, editiert von Marvin Däumichen

Die folgende Veröffentlichung wird in diesem Interview besprochen:
Mertens, L. J., Wall, M. B., Roseman, L., Demetriou, L., Nutt, D. J., & Carhart-harris, R. L. (2020). (https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0269881119895520) ;

Lukas: Kannst du uns etwas über deine akademische Laufbahn erzählen? Welche Stationen haben dich zu deiner aktuellen Position gebracht?

Lea: Ich habe einen Bachelor in Psychologie gemacht und wusste schon damals, dass ich klinisch arbeiten und Patienten helfen möchte. Im Laufe meines Studiums habe ich dann immer mehr Interesse an der Wissenschaft gewonnen, hatte dabei aber im Hinterkopf, dass ich selber nur klinisch relevante Forschung machen würde. Währenddessen habe ich dann auch ein Interesse an Psychopharmakologie entwickelt, weil die verschiedenen psychoaktiven Substanzen, die es so gibt, und deren psychologischen Effekte, mich wirklich fasziniert haben. Daraufhin habe ich mich entschlossen, einen Master1 mit Forschungsfokus zu machen und bin dadurch in Kontakt mit der psychedelischen Forschung gekommen. Je tiefer ich dabei eingestiegen bin desto mehr wurde ich in in diesem Thema involviert und umso spannender fand ich es letztlich!

Durch meine Betreuer an der Universität Maastricht und mit etwas Glück konnte ich für meine Masterarbeit an das Imperial College2 in London gehen. Dort habe ich dann in einer genialen Arbeitsgruppe mitgewirkt und habe Kontakt mit Prof. Dr. Gründer3 aufgenommen, der Professor am ZI ist. Er hatte dann ein paar offene Positionen und eine offene Doktorandenstelle, woraufhin wir uns zusammen entschieden, psychedelische Forschung in Deutschland zu machen, was weiterhin eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist! Jetzt sind wir gemeinsam auf diesem Pfad und das ist so die Geschichte wie ich zu meinem jetzigen Job gekommen bin. Außerdem habe ich vor kurzem meine Therapeutenausbildung angefangen, bin jetzt also klinisch und forschend gleichzeitig tätig.

Lukas: Wunderbar. Lass uns nun über deine Studie reden. Was war es, das ihr mit diesem Projekt rausfinden wolltet? 

Lea: Ich persönlich bin besonders daran interessiert, wie Psychedelika auf verschiedenen Ebenen funktionieren. Daher bin ich an der dahinterliegenden Biologie interessiert, zum Beispiel der Wirkweise an verschiedenen Rezeptoren, aber auch an der psychologischen Seite. Mit meiner Masterarbeit wollte ich Forschung mit bildgebenden Verfahren machen und war sehr dankbar, als Robin [Carhart-Harris4] mir angeboten hat, eine zusätzliche Analyse mit Daten von einer Studie über die Behandlung von behandlungsresistenter Depression5 durchzuführen. Was wir machen wollten, war einen Eindruck zu gewinnen, welche Veränderungen in der Hirnfunktion hinter positiven Behandlungseffekten von Psilocybin stehen könnten. Einige der Daten wurden schon veröffentlicht6 und darauf basierend konnte ich zwei zusätzliche Analysen durchführen.

Lukas: Kannst du kurz zusammenfassen was ihr entdeckt habt?

Lea: Wie gesagt, die Daten waren schon da und Roseman et al.6 hatten gezeigt, dass einen Tag nach einer Psilocybin Behandlung, eine verstärkte Reaktivität gegenüber emotionalen Gesichtern in der Amygdala präsent waren. Die Amygdala ist eine Hirnregion, die stark in emotionale Prozesse involviert ist. Erhöhte Aktivität hat mit dem Behandlungseffekt eine Woche später korreliert.

Aber eine Verbindung von verstärkter Amygdala Reaktivität mit einem antidepressiven Effekt ist sehr kontraintuitiv. Wenn man sich die Forschung zu Antidepressiva anschaut, dann würde man diesen Effekt nicht erwarten. Nichtsdestotrotz war das unser Hauptresultat und wir wollten es uns etwas genauer anschauen um zu gucken, ob die Veränderung in Amygdala Reaktivität, möglicherweise mit einer Veränderung in funktionaler Konnektivität verbunden ist. Darum haben wir eine psychophysiologische Interaktionsanalyse [diese Methode erlaubt Wissenschaftlern aufgabenabhängige Veränderungen in der Verbindung zwischen verschiedenen Hirnregionen zu untersuchen] mit den gleichen Daten gemacht um zu prüfen, ob es Unterschiede in der funktionalen Konnektivität von der Amygdala mit präfrontalen Regionen wie dem ventromedialen präfrontalen Cortex (vmPFC) während emotionaler Wahrnehmung gibt.

Wir haben gesehen, dass die funktionale Konnektivität zwischen dem vmPFC und der Amygdala einen Tag nach der Verhandlung reduziert war. Dieses Resultat ist definitiv interessant, weil wir die Hypothese aufstellen können, dass es durch Psilocybinbehandlung einen reduzierten inhibierenden Effekt von präfrontalen Regionen auf die Amygdala gibt. Das ist zwar noch sehr hypothetisch, weil wir keine Annahmen über die Richtung des Effektes machen können, aber es ist definitiv interessant für zukünftige Studien und Analysen.

Lukas: Kannst du die psychologischen Korrelate zu diesem neurowissenschaftlichen Ergebnis erklären? Wie würde es sich anfühlen, diese Veränderungen in funktionaler Konnektivität zwischen dem vmPFC und der Amygdala zu erleben?

Lea: Es ist immer eine Herausforderung neurowissenschaftliche Ergebnisse mit Verhalten zu verbinden. In unserer Analyse haben wir eine Assoziation zwischen der verringerten funktionalen Konnektivität und dem Level an Grübelei eine Woche nach der Behandlung gefunden. Eine Theorie ist, dass die erhöhte Reaktivität der Amygdala, zusammen mit der verringerten funktionalen Konnektivität, als eine Wiederbelebung von emotionaler Empfänglichkeit und Emotionalität interpretiert wird. Dass man sich also wieder mit seinen Gefühlen verbunden fühlt wäre ein psychologisches Korrelat. Aber wie gesagt, das ist sehr hypothetisch und muss mehr erforscht werden.

Diese Theorie ist aber besonders interessant, weil es eine Menge depressiver Patienten gibt, die ein Gefühl der Taubheit und emotionaler Abspaltung berichten. Vielleicht ist ein therapeutischer Mechanismus von Psilocybin diese Wiederverbindung mit Emotionalität.

Lukas: Du hast die Studie von Roseman et al.6 erwähnt und auch eure Ergebnisse sind etwas kontraintuitiv wenn man bedenkt, was wir über Amygdalareaktivität und depressive Symptomatik wissen. Frühere Studien haben hauptsächlich beschrieben, dass erhöhte Amygdalareaktivität ein Zeichen von stärkeren depressiven Symptomen ist; aber in eurer Studie zeigt ihr, dass der antidepressive Effekt von Psilocybin auch mit erhöhter Amygdalareaktivität zusammenhängt. Hast du eine Idee wie man diese Ergebnisse miteinander vereinen könnte? 

Lea: Ja, das ist eine harte Nuss! Wie schon erwähnt, ist eine mögliche Erklärung die wiedererlangte Emotionalität oder emotionale Verbindung die zu einem besseren Behandlungseffekt führt. Aber man muss auch die Scan–Zeitpunkte in diesen Studien berücksichtigen. Wir haben direkt am nächsten Morgen nach der hochdosierten Psilocybin Sitzung gescannt, was natürlich ein Morgen nach einer intensiven und emotionalen psychedelischen Erfahrung ist. Vielleicht ist die erhöhte Amygdalareaktivität zusammen mit der verringerten funktionellen Konnektivität nur ein Zeichen dieser emotionalen Erfahrung.

Ich fände es interessant zu sehen, wie die Situation eine oder sechs Wochen später aussieht. Insbesondere weil ich die Vermutung habe, dass die therapeutischen Effekte von Psychedelika in mehreren Phasen auftreten. Es gibt diese akute, sehr signifikante psychedelische Erfahrung und all die Sachen, die damit einhergehen (z.B. mystische Erfahrung, Wiedererleben eines Traums, visionäre Zusände, et.c) und vielleicht entsteht daher diese Amygdalareaktivität weil noch nicht alles so richtig verarbeitet ist.

Aber dann vergehen einige Wochen und Menschen integrieren ihre Erfahrungen, womit sich die Situation auch auf dem neuronalen Level ändern kann. Ich bin absolut fasziniert von der Idee, dass psychedelische Therapie verschiedene Effekte über verschieden Zeiträume erwirken könnte. Daher denke ich auch, dass wir so viel mehr Forschung mit verschiedenen Messzeitpunkten brauchen. Zum Beispiel gibt es eine Menge an Daten, die uns zeigen, wie Psilocybin oder LSD akut wirken, aber wir haben eher keine Ahnung, was den Behandlungseffekten zu verschiedenen Zeitpunkten zu Grunde liegt.

Lukas: Da wir eine Menge Studierende haben, die diesen Blog lesen gibt es sicher einige, die sich für deine Karriere interessieren. Hast du Ratschläge oder Empfehlungen für diejenigen, die einem ähnlichen Weg wie du folgen wollen? 

Lea: Also ich habe zwar während meines Studiums echt hart gearbeitet, rausgefunden was mich interessiert und das dann intensiv verfolgt, aber es war auch ein bisschen Glück dabei. Zum Beispiel hatte ich die fantastische Möglichkeit mein Praktikum am Imperial College zu machen, hatte aber keine Ahnung, ob ich jemanden in Deutschland finden würde, der mein Interesse an psychedelischer Forschung unterstützen würde. Ich bin sehr dankbar, dass ich Prof. Dr. Gründer kontaktiert habe, weil es zu dem Zeitpunkt keine andere psychedelische Forschung in Deutschland gab, weshalb ich meine jetzige Arbeit nicht hätte machen können.

Generell ist mein Ratschlag, motiviert zu bleiben und zu versuchen die Leute zu kontaktieren, mit denen man zusammenarbeiten will. Sich bei MIND zu engagieren wären eine Möglichkeit, oder aber einfach Forscher wie mich oder meine Betreuer, oder andere Forschende, mit denen man zusammenarbeiten, will kontaktieren. Eigentlich sind in diesem Feld alle sehr offen und bereit Forschungsprojekte mit jungende Studierenden durchzuführen.

Ich muss aber auch noch einmal unterstreichen, dass es nicht einfach ist und wahrscheinlich ein langer Prozess wird. Ich habe ein großes Poster in meinem Büro auf dem steht: „Good things take time“, das ich mir gekauft habe um mich in Phasen von niedriger Motivation weiter durchzukämpfen. Es ist nun mal nicht einfach, gute wissenschaftliche Arbeit mit illegalisierten Substanzen und klinische Studien ohne den Einfluss der pharmazeutischen Industrie durchzuführen. Es gibt einige regulatorische Hürden, die man überwinden muss, weshalb man sehr motiviert und aufopferungsbereit sein muss. Das ist eben die Realität.

Lukas: Wenn man sich all die Motivation, das Glück und die Hingabe anschaut, die nötig sind um in diesem Feld Wissenschaft zu betreiben: Lohnt es sich?

Lea: Für mich auf jeden Fall! Ich liebe was ich tue und ich liebe es, Teil dieses wachsenden Feldes zu sein. Aber ich denke auch, dass ein Interesse an psychedelischen Substanzen und psychedelischer Forschung nicht heißen muss, dass andere Themen langweilig sind oder nicht auch eine Option wären.

Es kann ja sein, dass man promovieren will, aber keine offenen Stellen findet. Da kann man sich mal genau fragen: Warum interessiert mich diese Forschung? Was würde ich gerne untersuchen? Und wenn man etwas tiefer darüber nachdenkt, was genau es ist, das einen interessiert, findet man vielleicht ähnliche Themen, die auch spannend sind. Vielleicht in einem anderen Feld, aber trotzdem verbunden mit dem eigenen Interesse. Ich denke, es ist eine gute Idee nicht zu kurzsichtig zu sein und zu sagen, dass man ausschließlich psychedelische Forschung machen will, weil man dadurch einige der großen, wichtigen Dinge verpassen könnte, die sonst noch in der Psychiatrie und den Neurowissenschaften zu entdecken sind!

Lukas: Ein sehr wichtiger Punkt! Dann auch die letzte Frage: Was steht als nächstes für dich an?

Lea: Auf Forschungsseite bin ich ja noch Doktorandin und meine große Aufgabe – ich nenne es immer mein Baby – ist die klinische Studie mit Psilocybin zur Behandlung behandlungsresistenter Depression, welche wir mit der MIND Foundation und der Charité Berlin zusammen durchführen. Ich bin momentan sowas wie die Projektmanagerin, was eine Menge Arbeit bedeutet, aber ich hoffe, das wir Ende des Jahres starten können. Das ist zumindest der Plan.

Abgesehen davon war ich in prä-klinischer psychedelischer Forschung am ZI Mannheim involviert, aber ich glaube ich bin momentan doch zu beschäftigt um damit weiter zu machen. Das war aber trotzdem eine super interessante Erfahrung um die Vorteile von prä-klinischer Arbeit kennen zu lernen. Zum Beispiel wie viel schneller man diese Forschung durchführen kann und wie viel weniger Hürden gemeistert werden müssen im Vergleich zu klinischen Studien. Momentan werde ich mich aber erstmal auf die klinische Studie und meine Therapeutenausbildung fokussieren und hoffe irgendwann in der Zeit meine Promotion abzuschließen.

Lukas: Alles klar. Viele lieben Dank für deine Zeit und viel Glück und Erfolg weiterhin!

Disclaimer: Dieser Blogpost wurde von Volontären übersetzt und editiert. Die Mitwirkenden repräsentieren nicht die MIND Foundation. Wenn Ihnen Fehler oder Unklarheiten auffallen, lassen Sie es uns bitte wissen – wir sind für jede Verbesserung dankbar (mailto:[email protected]). Wenn Sie unser Projekt zur Mehrsprachigkeit unterstützen wollen, kontaktieren Sie uns bitte um der MIND Blog Translation Group beizutreten!


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